Anmutige Worte, hinführende Geschichten, phantastische Erzählungen, funktionierende Kommunikation, entdeckte Verbindungen sehen und erfundene Berichte mit wahren verweben, Gedanken in Buchstaben einflechten. Information in gesprochener und geschriebener Sprache übergeben. Gedanken und Einfälle und Einsichten wiederholbar machen. Wortgeschenke, Geschichtenwunder, verbale Ideen, die gesamte, uferlose Welt der Sprache. Poesie. Die Gefühle beim Sprechen vor anderen Menschen. Eine Art Auslöser für Gefühle, für das Leben, für Taten und Gedanken, für Erfindungen und Gräuel. Etwas lernen oder traurig sein. Das sind Bücher nicht für mich. Das gesagte ist weniger von mir als ein Foto von einem echten Leben ist. Es ist ein Foto, es ist nicht dabei, es lebt und fühlt nicht und das ist das Paradoxon. Ein Buch – lebt es? Oder lebt in ihm das Lebendige in den Schreibenden? Ist ein Buch das, was im Regal liegt oder das, was in mir passiert, wenn ich es lese oder mich erinnere? Oder dann doch nur das, was ich aufgrund der Lektüre tue? Lesen ist viel mehr als nur „Abenteuer im Kopf“.
Zum heutigen Tagebuchtag gebe ich intimstes bekannt: meine Lieblingsbücher. Der Haken: ich habe keine Lieblings. Ich will keine. Ich liebe Bücher. Als Medium und konkrete Bücher. Und nein, niemand soll mir irgendetwas nachmachen. Weder Listenschreiben, noch Bücher lesen noch mein Leben. Lebt euer eigenes, verdammt nochmal.
Bücherlisten sind fad. Man zeigt sich in ihnen. Ich werde einen Spagat versuchen und euch zeigen, was in den Büchern sein könnte und was sie mir gezeigt haben. Ich lege mein innerstes offen (Bücher, Wörter, Geschichten sind mir das innigste und innerste), dann mit der Begründung, warum man das lesen könnte. Und zehn? Hallo? Zehn ist gar nichts.
99 Minutenmärchen, Käthe Recheis, Friedl Hofbauer – damals ist mir klar geworden, als Kindergartenkind, dass Geschichten von Menschen gemachte Werke sind. Ich sehe das Buch heute noch vor mir, den geleben äh J gelben Einband, die rote Gravur und die gelbe Kinderbettwäsche mit türkisenen Figuren, in der ich lag. Ich verstand: Das hat jemand erzeugt, ein Mensch. Wow. Das muss das Beste und Lustvollste sein, was ein Mensch tun kann. Bücher schreiben, Geschichten erfinden.
Kleiner Bruder Watomi, Käthe Recheis, Monika Laimgruber. Ich hielt das damals für richtige, für echte Kunst, leider weiß ich nicht mehr warum, in der Folge startete ich meine Karriere als unmündige Indianerfanatikerin.
Michael Ende, Die unendliche Geschichte schuf in mir den unbändigen Drang, zu wissen wie der das Buch geschrieben hat und zu lernen, so ideenexplosiv zu werden. Und ja, er hat eine Methode verwendet, die sich viele Jahre später in einem Buch über seinen Vater Edgar von mir finden würde lassen.
Michael Ende, Momo. Weckte den Wunsch, mit Sternen reden zu lernen.
Erica Jong, Angst vorm Fliegen. Kam auf die Idee, dass Lachen vielleicht doch nicht so schlimm ist wie gedacht.
David Sedaris, Nackt. Verstärkte meinen bei der Jong-Lektüre gewonnenen Eindruck. Ich fiel bei der Lektüre mehrmals vor Lachen von einer steirischen Küchenbank.
Rafik Schami, Wunderkasten – die Hymne ans Erzählen und an das Talent zur Phantasie.
Jim Morrison & The Doors, Die Songtexte. Lieber Jim Morrison, wegen dir und nur dir allein habe ich in der Pubertät William Blake gelesen, auch Artaud, Brecht verschlungen, schamanische Sichtweisen entdeckt und für weise gehalten, Fernsehboykott gestartet, Henisch begonnen, Rimbauds Gedichte gemalt. Nietzsche geschmökert. Frazer gesucht. Niemand (kein Mensch, kein Freund, keine Freundin, keine Schule) hat mir je Bibliotheken und Gedanken eröffnet wie du, Mr. Mojo.
Rainer Maria Rilke, Briefe an einen jungen Dichter. Bester Schreibratgeber gleichauf mit King, bester Lebensratgeber. Mein Beileid, allen, die das nicht lesen. Gratisdownload.
Stephen King, Das Leben und das Schreiben. Bester Schreibratgeber und interessante, offene Auto(r)bio von King, sehr empfohlen. Es gibt viele sinnlose, schlechte und schädliche Schreibratgeber, diese ist reingoldwertig.
Erich Fromm, Die Kunst des Liebens – damit begann meine Liebe zur Fachliteratur, zum Sachbuch und zur Theorie, im Alter zwischen 13 und 18 mehr als fünfzehn Mal gelesen. „Wer nichts weiß, liebt nichts.“
Judith Butler, Gender Trouble. Unverzichtbar. Must.
Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit. Der Wille zum Wissen. Einer der vielen Anfänge von etwas langem, beständigen im meinem Leben
Judith Herman, Die Narben der Gewalt. Bis heute für mich bestes Buch zum Verständnis von Folter, häuslicher Gewalt, Verleugnung und Traumata. Hat damals die Hälfte all meiner offenen Fragen beantwortet.
Virginie Despentes, King Kong Theorie, fand es beim Lesen sehr erfrischend, untheoretisch erhellend, witzig.
Gail Pheterson, Huren-Stigma. Wie man aus Frauen Huren macht. Fabelhaftes Buch über Sexarbeit und Stigmatisierung von Frauen (und zwar von Frauen, allen Frauen).
Starhawk – Wilde Kräfte. Ich verstehe den Demeter-Mythos seither besser, anders, neu. Ansonsten kein Hammer für Menschen, deren Lebensmittelpunkt außerhalb von Geschlechtermythen liegt.
Jonathan Safran Foer, Tiere Essen – must read. Alle. Amen.
Markus Zusak, Die Bücherdiebin. Aus der Sicht des Todes geschriebenes Buch über den Nationalsozialismus, das schmerzlichste, und zugleich wunderschön, klar, traurig wie es nur der Tod sein kann. Ein Worttraum voll mit Ziehharmonikaliedern und Freundschaft, nüchternen Verrücktheiten, ehrlichen Lügen, anständigem Diebstahl, gütigem Fluchen und unerfüllter Träume. Lies es! Lies es! Lies es!
Gioconda Belli, Die Träger der Träume, hat fünfmal und noch öfter mein Leben gerettet. y in my mundo – un gran trafico de suenos!
Paula Ludwig, Dem dunklen Gott. Pah.
Marija Gimbutas, Die Sprache der Göttin. Hat vielleicht mein ganzes Leben mehr verändert als alle anderen zusammen und das einzige Buch mit Bildern, welche ich je als Einflussfaktor akzeptiert habe.
Die große Wörterfabrik, Agnès de Lestrade, Valeria Docampo. YOU MUST READ THIS. Ja du musst gar nix. Außer das. Das muss man. Ein Verbot des Begriffs Kinderbuch sollte überdacht werden.
Joyce Carol Oates, Freaky Green Eyes. Mit offenen Augen. – beim Lesen das Potential verstanden, durch welche Romane etwas verständlich machen (können). Freaky entblättert Wort für Wort die Schichten der Gewalt und deren Ursachen, warum Flucht schwer ist, warum und wie wegschauen passiert (und wie unsere Gesellschaft Wegschauen kollektiv produziert) und warum die Täter-Perspektive begreiflicher ist als die der Gewaltbetroffenen.
J.M.Coetzee, Das Leben der Tiere. Wundervoll, wundervoll.
Clarissa Pinkola Estés, Die Wolfsfrau. Wer überleben will muss es lesen. So einfach ist das. In der Theorie zumindest.
Uta Ranke-Heinemann, Eunuchen für das Himmelsreich. Mutig, wegweisend, witzig, lehrreich und veraltet. Ein Meilenstein.
Elfriede Jelinek, Lust. Entfacht Denkexplosionsfeuer, die beim x-ten wiederlesen noch aufflammen, glühen und wärmen. Bedenke, das Buch ist witzig!
Audrey Lorde, sister outsider, ich verstand wie Diskriminierung in uns hineinwandert und später, was das bedeutet – für mich und die anderen Menschen.
Melissa Gira Grant, Hure spielen. Eines der besten und vernünftigsten und aussagekräftigsten Bücher über Sexarbeit. Ein Buch, das wir brauchen. Bitte schenkt es Abolitionistinnen.
Virginie Despentes, Baise moi. Fick mich – grauslichgut, not my style, aber seit dem Lesen habe ich eine Idee davon, warum manche Männer auf Gewaltfilme stehen und Bücher lesen, in denen die Vernichtung von Menschen (auch Frauen) zelebriert wird. Hat meinen Blick auf Horrorfilm anschauende Männer (nicht Frauen) modifiziert.
Amos Oz, Wie man einen Fanatiker kuriert. Ich liebe dieses Buch von der ersten bis zur letzten Zeile. Und nein, es ist nicht perfekt als Buch.
Äh. Das waren jetzt mehr als zehn. Kann das sein? Dabei käme ich eben so ein bisschen in Fahrt.
So. Welche 22 davon streiche ich jetzt?